Wie Architekten beim Schreiben den richtigen Ton treffen

Verständlich sein und fachlich bleiben – geht das überhaupt?

Viele Architekturbüros geraten beim Schreiben in ein Dilemma: Fachlich korrekt oder verständlich? Detailgenau oder lesbar? Eher technisch oder eher menschelnd?

Die gute Nachricht: Sie müssen sich nicht entscheiden – aber Sie sollten unbedingt wissen:

  • für wen Sie schreiben,
  • wo der Text erscheinen soll und
  • was Sie mit Ihrem Text erreichen wollen.

Dieser Beitrag zeigt, wie Sie Ihre Architekturtexte treffsicher gestalten: verständlich, professionell und in Ihrem Ton.

Problem 1: Fachlich – aber für wen?

Das typische Dilemma

  • Wettbewerbstexte lesen sich wie technische Protokolle.
  • Website-Texte wirken, als wären sie für Fachkollegen geschrieben.
  • Auf Social Media? Schweigen – aus Sorge, es könnte unprofessionell wirken.

Viele Büros erzählen, dass ihre Texte durch vier, fünf Korrekturschleifen gehen – nur um am Ende genau das zu vermeiden, was eigentlich wichtig wäre: Profil zeigen.

Was fehlt, ist eine Sprache, die zum Medium passt – und trotzdem authentisch bleibt.

Lösung: Schreiben Sie für Menschen

1. Wer soll diesen Text lesen?
Stellen Sie sich eine konkrete Person vor, wie beispielsweise

  • eine Bauherrin, die das erste Mal baut,
  • einen Architekten im Auswahlgremium,
  • eine junge Bewerberin oder
  • einen Redakteur mit wenig Zeit.

Alle vier brauchen unterschiedliche Informationen – und auch eine andere Sprache und einen anderen Ton.

Tipp: Prüfen Sie jeden Satz mit der Frage: „Versteht meine Zielperson das?“ So können Sie unangebrachten Fachjargon weitestgehend umgehen.

2. Passen Sie den Ton an die Plattform an

MediumZielgruppeTonalität
WebsiteBauherren, Bewerber, Öffentlichkeitklar, einladend, selbstbewusst
WettbewerbstextJury, Fachpublikumpräzise, fachlich, argumentativ
Social MediaÖffentlichkeit, mögliche Mitarbeitendedirekt, locker, zugänglich
PresseinfoFachredaktionen, Medieninformativ, pointiert, klar strukturiert

Gleich bleibt: Ihre Haltung.
Variieren darf: Sprachebene, Detaillierung, Satzbau.

Praxisbeispiel: vorher/nachher

Vorher (technisch-abstrakt):

„Das Raumgefüge gliedert sich in drei Zonen mit differenzierter Belichtung und akustischer Optimierung.“

Nachher (fachlich und verständlich):

„Drei klar strukturierte Bereiche erhalten situations- und funktionsgerechtes Licht und Akustikdecken, die die Sprachverständlichkeit und den Hörkomfort verbessern und gleichzeitig Störgeräusche oder Nachhall minimieren. (EVENTUELL NOCH DEN NUTZEN ERGÄNZEN: Das ermöglicht konzentriertes Arbeiten, ruhige Pausen oder lebendige Begegnung.)“

Wirkung: Der zweite Text bleibt fachlich korrekt, aber gewinnt an Anschaulichkeit – und emotionaler Qualität.

Verwenden Sie klare, bildhafte Sprache – ohne zu vereinfachen

Fachlich schreiben heißt nicht: kompliziert schreiben.

Gute Architekturtexte:

  • vermeiden Worthülsen wie „modular“ oder „zeitgemäß“,
  • erklären Fachbegriffe bei Bedarf und
  • nutzen Bilder, Vergleiche und Bezüge zum Alltag.

Beispiel:

„Das räumliche Konzept ist durch funktionale Trennung und zentrale Erschließung gekennzeichnet.“
Bereiche mit verschiedenen Aufgaben oder Anforderungen befinden sich jeweils in eigenen, klar abgegrenzten Zonen oder Räumen. (EVENTUELL DEN NUTZEN ERKLÄREN: Ziel ist es, Konflikte zwischen den unterschiedlichen Nutzungen zu vermeiden und die Abläufe zu optimieren.) Alle diese getrennten Bereiche werden über einen Hauptflur (oder ein Atrium, eine Haupterschließungsachse oder ein zentrales Treppenhaus) miteinander verbunden. (EVENTUELL DEN NUTZEN ERGÄNZEN: Das erleichtert die Orientierung und sorgt für effiziente Wege innerhalb des Gebäudes oder Areals.)“


Tipp: Mehr zur Nutzenkommunikation finden Sie unter anderem in den folgenden Blog-Beiträgen: Warum den Nutzen eines Architekturprojektes kommunizieren? >>, Mit wenigen Fragen eine klare Nutzenbeschreibung für jedes Projekt entwickeln – ohne Floskeln, aber mit Haltung >> und Nutzenkommunikation in der Architektur mit Praxisbeispielen. >>


Problem 2: Jeder Text klingt anders

Ohne sprachliche Standards läuft vieles ins Leere: Texte entstehen zwischen Bauchgefühl, Zufall und zehn Meinungen.

Ein Architekt erzählte mal: „Wenn wir Pressetexte schreiben, klingt jeder von uns anders. Und am Ende findet sich niemand richtig wieder.“

Das Ergebnis:

  • Stil: uneinheitlich;
  • Aussagen: verwässert;
  • Ton: „wetterfühlig“.

Lösung: Entwickeln Sie eine Tonalität mit Haltung

Stellen Sie sich intern diese Fragen:

  • Sachlich oder erzählerisch?
  • Wir-Form erlaubt – oder neutral?
  • Haltung zeigen – oder zurückhaltend informieren?
  • Wieviel Emotion passt zu uns?

Praxis-Tipp: Sammeln Sie Texte, die sich „nach Ihnen“ anfühlen – und solche, die es nicht tun. So entsteht ein innerer Kompass für Ihre Sprache.

Praxisbeispiel: Gleicher Inhalt – verschiedene Töne

Projekt: Neubau einer Kindertagesstätte
Ziel: Text für die Website

TonartBeispieltext
Technisch (zu trocken)„Das Raumprogramm umfasst sechs Gruppenräume mit zugeordneten Sanitärzonen und einem zentralen Mehrzweckbereich.“
Werblich (zu glatt)„Modern, funktional und nachhaltig – die Kita bietet alles, was Kinder heute brauchen.“
Klar & nutzerzentriert„Sechs Gruppenräume mit einem eigenen Sanitärbereich – also Toiletten und Waschgelegenheiten – gruppieren sich um einen größeren, gemeinschaftlich genutzten Bereich, der für verschiedene Aktivitäten genutzt werden kann (z. B. Versammlungen, Sport, Feste, gemeinsames Spielen oder Essen).“ Wirkung: verständlich, konkret, menschlich – ohne platt zu wirken.

Zusätzlicher Impuls: Verständlichkeit ist messbar

Verständlichkeit ist kein Gefühl – sie ist messbar.

Der Hohenheimer Verständlichkeitsindex (HIX) analysiert Faktoren wie:

  • durchschnittliche Satzlänge,
  • Wortkomplexität,
  • Fachsprache vs. Alltagssprache oder
  • Gliederung, Ansprache, Beispiele.

Das Ergebnis ist ein Wert von 0 bis 20. Ab 16 gilt ein Text als gut verständlich.

Zum Vergleich: Nachrichtentexte oder gute Magazinartikel erreichen meist 16–18.

Eine Analyse des H&H Communication Lab ergab 2022: Texte aus Behörden und Ministerien erreichten im Durchschnitt nur 6,1 Punkte – wegen überlanger Sätze und abstrakter Sprache.

➡️ Architekturtexte sind oft ähnlich gebaut. Wer klarer schreibt, fällt positiv auf – besonders bei vielen Bauherren und Medien.

Quelle:
H&H Communication Lab: „Unverständlich und kompliziert“ (2022) → kom.de – Analyse

Fazit: Der richtige Ton ist keine Kosmetik – er ist Haltung

Texte sind kein Nebenschauplatz. Wer den richtigen Ton trifft:

  • wird verstanden,
  • wirkt professionell und
  • bleibt im Gedächtnis.

Das Beherzigen dieser Tipps kostet Sie zu viel Zeit oder Aufmerksamkeit, die Sie gerne für andere Dinge einsetzen möchten? Gerne schreibe, lektoriere oder redigiere ich Texte für Sie. Hier finden Sie meine Leistungen für Architekten. >>

Über mich

Seit 2014 arbeite ich u. a. als freie Redakteurin für CUBE – Das lokale Magazin für Architektur, modernes Wohnen und Lebensart. Auch habe ich als Texterin im Bereich Architektur und nachhaltiges Bauen für das Gebäudeforum klimaneutral Texte verfasst, und dabei Nutzen, Herausforderungen, Ziele und Erfolge beschrieben.

Eine kleine Auswahl bereits realisierter Projekte finden Sie in meinem Portfolio.

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